Münsterlandzeitung, 2008-12-09

750 Schüler in den Bann gezogen

Schüler des Berufkollegs Wirtschaft und Verwaltung helfen Dr. Reinhard Erös

-fs- Ahaus/Kreis Borken. Gelassen steht Dr. Reinhard Erös am Rednerpult und schaut in die Augen von rund 750 Schülern, die sich in der Sporthalle des Berufskollegs für Wirtschaft und Verwaltung (BWV) in Ahaus versammelt haben, um seinem Vortrag zu lauschen. Er spricht über seinen Werdegang und wie es zu der Entscheidung kam, den Menschen in Afghanistan, dem "Land der Extreme" zusammen mit seiner Familie zu helfen.

Vor allem aber konfrontiert er die Schüler gleich nach dem Grußwort durch Schulleiter Wolfgang Reinert mit der zentralen Frage: "Was geht uns Deutsche Afghanistan an?". Ein Gemurmel geht durch die Reihen, ansonsten herrscht beredtes Schweigen. Viele von ihnen ahnen noch nicht, welchen grauenvollen Bildern sie sich im Verlauf des Vortrags gegenüber sehen werden.

Dr. Reinhard Erös kennt die Reaktionen der Schüler und weiß, dass manch einer nicht selten sogar ohnmächtig wird oder zu Tränen gerührt ist. Er hat bereits fast 700 Mal an Schulen referiert und damit über 100.000 Schüler erreicht - ihnen die Kriegswirren in jenem Land erklärt, denen auch immer wieder deutsche Soldaten zum Opfer fallen oder ihnen auch den brutalen Nationalsport "Buskashi" (zu Deutsch: "Ziege ziehen") näher gebracht.

Seine Arbeit bei der von ihm gegründeten Kinderhilfe Afghanistan und die damit verbundenen positiven Erlebnisse zeigen den Schülern jedoch auch die lichtere Seite eines durch die extremistischen Taliban geschundenen Landes. Dabei ist es dem ehemaligen Bundeswehrarzt wichtig, nur dort zu helfen, wo seine Hilfe auch von den Einheimischen akzeptiert wird. Aufgrund der "unglaublichen Gastfreundschaft der Menschen dort", ist dies jedoch weniger ein Problem. Allein durch Spendengelder, welche er nach eigenen Angaben "ohne Verlust durch diverse Bankgebühren" persönlich nach Afghanistan bringe, hat Dr. Erös in den vergangenen Jahren bereits 25 Schulen bauen und diese unter anderem sogar mit Computern ausstatten können, erläuterte er.

Hierbei möchte ihn nun die Schülervertretung (SV) des BWV Ahaus unterstützen und hat eine Patenschaft für eine afghanische Schule übernommen. "Nach seinem letzten Vortrag vor zwei Jahren wollten wir das große Interesse der Schüler nutzen", erklärt SV-Lehrerin Britta Kamender die Entscheidung für dieses Projekt, das allen Beteiligten aus dem Herzen spricht, und "ein großer Wunsch der Schülerschaft war" wie auch Schülersprecherin Anesa Dolic gegenüber Dr. Erös betonte.

Doch helfen kann man nie genug: Außerdem möchte die Schülervertretung unter anderem Spendenverträge in den Klassen zugunsten der Kinderhilfe Afghanistan abschließen, Mehrerlöse aus dem Verkauf von Abschlussfestkarten der Stiftung zukommen lassen sowie am 24. März 2009 einen Spendenlauf zur Unterstützung des Projekts veranstalten. Einen ersten Scheck überreichte die SV Dr. Erös nach dessen Vortrag.


Zum Thema

Dr. Reinhard Erös

Reinhard Erös (Jahrgang 1948) ist Mediziner und kam als Oberstabsarzt der Bundeswehr 1986 erstmalig nach Afghanistan. Erschrocken über die mangelnde ärztliche Versorgung beschloss er, sich für vier Jahre unbezahlt beurlauben zu lassen, um der Zivilbevölkerung zu helfen. 1998 gründete er mit seiner Frau Annette und seinen fünf Kindern die Kinderhilfe Afghanistan. Sie baut unter anderem Schulen ausschließlich aus privaten Spenden und nur von Afghanen nach dem Motto "Hilfe zur Selbsthilfe".

 
Einen ersten Scheck überreichten die Schülersprecherinnen des Berufskollegs Wirtschaft und Verwaltung an Dr. Reinhard Erös. Sie wollen aber auch langfristig die Arbeit des Mediziners in Afghanistan unterstützen.


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